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"Ich will nicht, dass der Krieg vergessen wird"

Interview mit einem Aktivisten: Warum er sich seit über einem Jahr für den Frieden einsetzt

von Klasse 7 Falkenstein, Johanna-Tesch-Schule

Seit über einem Jahr erinnert die Mahnwache an die Kinder und Erwachsenen, die täglich im Krieg in der Ukraine sterben. Foto: Harald Schmuck

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In Frankfurt am Main protestieren jeden Tag Menschen vor dem russischen Generalkonsulat gegen den Überfall auf die Ukraine. Acht Schüler:innen der Klasse 7 Falkenstein der Johanna-Tesch-Schule haben ein Gespräch mit einem Protestierenden der Mahnwache geführt.

Noch bevor man sie sieht, ist sie zu hören: Ukrainische Musik dröhnt aus einem Lautsprecher am Straßenrand. Der Bürgersteig direkt gegenüber des russischen Generalkonsulats im Oeder Weg in Frankfurt steht voll mit Plakaten und Blumen. Zahlreiche Stofftiere sind abgelegt worden. Eine kleine Menschengruppe, in eine ukrainische Fahne gehüllt, steht im Regen. Seit über einem Jahr erinnert die Mahnwache an die Kinder und Erwachsenen, die täglich im Krieg in der Ukraine sterben.

Einer der Protestierenden ist Iusef Dzhakh-Dzhakh. Er ist in Syrien geboren und in der Ukraine aufgewachsen. Seit zwölf Jahren lebt der 31-Jährige in Deutschland. Wir haben uns mit ihm verabredet, weil wir wissen wollten, wieso er hier mitmacht. Wir, das sind acht Schüler:innen der Klasse 7 Falkenstein der Johanna-Tesch-Schule in Frankfurt.

Über eine Stunde hat Herr Dzhakh-Dzhakh sich Zeit genommen, um sich ausgiebig mit uns zu unterhalten. Auch darüber, ob er einen Dritten Weltkrieg für möglich hält und was er über Putin denkt.

 

InterviewGruppe: Warum stehen Sie hier?

Dzhakh-Dzhakh: Es gibt mehrere Gründe, warum ich hier stehe. Als erstes wollen wir nicht, dass die Ukraine vergessen wird. Wir wollen, dass der Krieg beendet wird und er wird beendet, wenn das russische Militär abzieht und aufhört, die Ukraine mit Raketen zu beschießen.

Der zweite Grund ist, über den Krieg zu sprechen, so wie wir jetzt sprechen. Wir wollen die Menschen informieren, warum der Krieg stattfindet und was da alles passiert.

Und drittens: Wir sammeln auch Spenden. Die Leute gehen vorbei, schmeißen da zwei, drei Euro rein und davon kaufen wir Medikamente und versuchen hier und da zu helfen.

Wie lange denken Sie, dass der Krieg noch dauern wird?

Das kann ich nicht sagen, aber ich glaube, es dauert noch. Es wird noch lange dauern.

Wie fühlen Sie sich dabei?

Ehrlich gesagt schlecht. Ich habe eine volle Stelle. Ich arbeite 40 Stunden die Woche. Dann habe ich noch zusätzliche Verpflichtungen und jetzt noch die ukrainischen Sachen, das ist sehr viel.

Zu viel für einen Menschen, auch emotional. Aber ich muss durchhalten.

Wieso muss man das durchhalten?

Wenn ich das nicht mache und meine Freunde es nicht machen, dann macht es keiner.

Ich will nicht, dass der Krieg vergessen wird, so wie der syrische Krieg. Alle haben gesagt: “Schlimm, schlimm.“ Und dann haben Sie ihn vergessen. Dann durfte die russische Armee in Syrien alles machen, was sie wollte. Städte zerstören, Menschen umbringen. Das will ich nicht. Ich habe das damals gesehen.

Jetzt ist es hier in der Nähe, in Europa. Die gleiche Armee, die gleichen Bomben, die gleichen Flugzeuge. Ich will nicht, dass das vergessen wird.

Was denken Sie über Putin?

Nichts Gutes, muss ich echt sagen. Also Putin ist Ergebnis der KGB-Arbeit. Kennt ihr den KGB? Wisst ihr, was Geheimdienst ist? Wisst ihr, was UDSSR ist? Okay….

Es gab einen riesigen Staat, der aus mehreren Ländern bestand und die alle haben sich verbunden, um im Sozialismus zu leben. Es hat nicht funktioniert. Das System war irgendwann so krank, dass der Geheimdienst eigene Menschen umgebracht hat. Oder eingesperrt hat. Meinungsfreiheit gab es nicht. Man durfte nichts Negatives über die Regierung sagen, sonst kam man in ein Arbeitslager. Putin hat für den Geheimdienst gearbeitet. Putin ist das Ergebnis von diesem Geheimdienst. Der wurde dazu ausgebildet, die Menschen aufzuspüren und zu vernichten.  

Sollten die Deutschen mehr Waffen liefern?

Ja, vor allem mehr. Wer soll das sonst machen? Also die USA machen das. Ich finde die Unterstützung ist gut, aber es könnte mehr sein.

Kann der Dritte Weltkrieg ausbrechen?

Oh, Kinder, das ist jetzt keine gute Nachricht. Ich glaube, der läuft jetzt schon. Ich glaube, das ist ein Krieg zwischen Diktaturen und Demokratien. Wenn man sieht, wer sich zusammengetan hat: China ist eine Diktatur. Russland ist eine Diktatur. Iran ist eine Diktatur. Nordkorea ist eine Diktatur.

Und alle Länder, die dagegen steuern, sind Demokratien. USA, Deutschland, die ganze EU – alle sind Demokratien. Also ich glaube, das ist der Anfang von dem Dritten Weltkrieg. Er wird wahrscheinlich nicht so sein, wie der Zweite Weltkrieg, wo alles bombardiert wurde…

Werden Sie manchmal beschimpft, weil Sie hier stehen und protestieren?

Ja,ja, regelmäßig. Also ich sag mal so. Die meisten, die zum russischen Konsulat gehen, die sagen nichts. Die gucken uns nur an, manche sind ein bisschen netter, manche ein bisschen böser. Aber es gibt auch einige, die uns beleidigen und beschimpfen. Es gab auch schon Vorfälle, bei denen einige von uns geschlagen wurden. So was gibt’s auch.

Meinen Sie, die Mahnwache bringt etwas?

Ja, alleine schon, weil ich mit euch sprechen darf. Und vielleicht könnt ihr, wenn ihr erwachsen seid, alles tun, damit kein Krieg ausbricht.

Und nach einer Pause fügt er noch hinzu:

Ich habe selbst hier in Deutschland russische Freunde. Wir verstehen uns supergut. Wir leben zusammen in Frieden und sind Freunde. Es geht nicht darum, wer woher kommt, sondern wer wie denkt.

Lieber Herr Dzhakh-Dzhakh, wir bedanken uns für das Gespräch. Amra, Nura, Lina, Naima, Diana, Mael, Gabriel und Marko.